Rezension

Aufrechnungen mit Hitler

Mit „Das tragische Interludium“ ist der nächste Band der gesammelten Schriften Hans-Dietrich Sanders im Arnshaugk-Verlag erschienen.

Es ist die erste Schrift der Sammlung Style and Order, die nach dem Tod des Autors herausgegeben wird. Nach Der ghibellinische Kuß und Politik und Polis umfaßt Das tragische Interludium Sanders Überlegungen zum Dritten Reich.

Dieses Buch wird zu Mißverständnissen führen. Man mag es bedauern, aber es war wohl kaum zu vermeiden. Nicht weil es kompliziert geschrieben wäre, nicht im geringsten. Der dem ganzen Buch zugrundeliegende Gedanke jedoch, das Dritte Reich auf seine guten ebenso wie seine schlechten Seiten abzuklopfen, wird vielen in seiner Bedeutung völlig unzugänglich sein.

Wer schreibt hier?

Wer schreibt hier? Ein Revisionist? Will er die Nazis rehabilitieren? Oder dreht sich am Ende wieder alles nur um das altbekannte „Es war nicht alles schlecht“, das zwar einer gewissen Sorte Bundesdeutscher den Schaum vor den Mund treibt, doch eigentlich nur die Trivialität ausspricht, daß es auch unter dem Hakenkreuz normales und glückliches Leben gab? Trivial, aber gerade deshalb auch nichts, an das man anknüpfen könnte. Um diese Frage zu beantworten muß man tiefer graben.

Das tragische Interludium ist kein Buch, das besondere Vorkenntnisse voraussetzt, um mit Gewinn gelesen zu werden. Die darin veröffentlichten Texte Sanders wurden schließlich einmal als Einzelartikel für das allgemeine Publikum veröffentlicht. Vier Zeitdokumente kritisch eingestellter Funktionsträger des Dritten Reiches verdeutlichen dazu verschiedene Probleme dieser politischen Schöpfung, von der Person Hitlers selbst, bis hin zum innerparteilichen Streit um die Behandlung der slawischen Völker im besetzten Osten. Dazu ist noch die berühmte, von Edgar Julius Jung verfaßte Marburger Rede Franz von Papens in voller Länge abgedruckt. Selbst wessen Kenntnis der Zeitgeschichte sich auf Guido Knopp beschränkt, kann sich hier zurechtfinden.

Vorkenntnisse des Denken Sanders sind hilfreich

Wer hingegen mit dem Denken Hans-Dietrich Sanders selbst nicht vertraut ist, wird zwar viel Nachdenkenswertes zu lesen haben, doch wohl nur mit Schwierigkeiten zum Kern dieses Buches vorstoßen. Kurz: Es geht Sander nicht darum, im oberflächlichen Sinne die guten von den schlechten Seiten, die Leistungen vom Versagen oder das Heldentum vom Verbrechen zu trennen.

Gewiß nimmt er all diese Unterscheidungen vor, doch dahinter steht für ihn die Frage nach dem Ende der „säkularen Höllenfahrt“ der Moderne und der Wiederherstellung der Staatlichkeit. Der Leitsatz: „Es wäre nach 1945 das Gebot der Stunde gewesen, aus den Fehlern des Dritten Reiches und nicht aus den Fehlern der Weimarer Republik zu lernen“, erhält erst daher seinen vollen Sinn, daß Sander in den Siegern von 1945 geschichtlich überholte Mächte sieht und in der Restauration des Liberalismus die blanke Reaktion.

Der Maßstab, den Sander an den Nationalsozialismus anlegt, besteht demgemäß aus der Frage, inwieweit er in der Lage war Staat und Reich wieder zu Ordnungsformen zu erheben. Hier schließen sich Fragen des Staats- und Völkerrechts sowie der Staatstheorie an, mit denen Sander sich ausgiebig befaßte, die jedoch den Rahmen dieses Buches sprengen würden.

Einzige Lücke: Das Scheitern der Konservativen Revolution

Sanders Behandlung des umfangreichen Stoffes gibt viel zum Nachdenken auf und es wäre müßige Beckmesserei hier einzelne Punkte eigenen Zu- und Widerspruchs aufzulisten. Grundsätzlich leiden seine Überlegungen nur unter einem, dafür aber schwerwiegenden Fehler: Eine ernsthafte und ehrliche Aufrechnung mit dem Nationalsozialismus, hätte auch die demütigende Niederlage behandeln müssen, die Hitler den konservativen Revolutionären der Weimarer Republik beibrachte.

Die Marburger Rede war ein Akt des Widerstandes, den Edgar Julius Jung mit dem Leben bezahlte. Doch sie war auch die Bankrotterklärung der Konservativen Revolution. Darum darf man sich nicht herumdrücken, indem man den Sieg Hitlers über Papen, Schleicher und Genossen als Gottesgeißel oder Unfall betrachtet. Goebbels Hohn über politische Versager, die den Führungsanspruch ihrer Geistigkeit anmelden, traf zu sicher, um mit dem Verweis auf das Ende des Dritten Reiches einfach übergangen zu werden.

Eine gelungene Aufrechnung

Davon abgesehen jedoch ist Sander nicht nur eine, sondern eine ganze Reihe von Aufrechnungen mit Hitler gelungen, die es in sich haben und selbst den Widersprechenden zu weiteren Einsichten treiben. Um die Aktualität des Werkes braucht sich der Verlag dabei keine Sorgen zu machen. Allein die Frage des Verhältnisses von Staat und Partei wird uns so schnell nicht abhandenkommen.

Hans-Dietrich Sander: Das tragische Interludium. Herausgegeben von Heiko Luge. 2017. 207 S., 22 Euro.

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